Wie werde ich es vermissen. Sonnencreme, die sich auf der Haut mit Schweiss verschmischt. Der Sand, der sich in alle Körper- und iPhone-Öffnungen drängt. Meersalz, dass auf der Haut so schön prickelt. Die nasse Badehose, die nach einer Weile am Arsch Juckreize auslöst. Wie werde ich all das vermissen. Fertig Karibik, fertig heiss, fertig Strand. Ich bin in Bogota, 17 Grad. Die Hauptstadt ist meistens bewölkt, liegt höher wie Davos, und hat so viele Einwohner wie die Schweiz. Und, ich bin ein grosser Fan!! Aber dazu später.
El Dorado Flughafen, Bogotá. Dort werde ich von Dagoberto, dem Chauffeur von David und Oli abgeholt. Mit David habe ich bei TeleZüri ein paar Jahre zusammengearbeitet. Ich werde die nächsten Tage bei ihm und seinem Mann in Bogotá verbringen. Die beiden sind in die kolumbianische Hauptstadt ausgewandert, weil Oliver ein Jobangebot angenommen hat, in der Geschäftsleitung einer Schweizer Betonfirma in Kolumbien. David studiert Spanisch und berichtet nebenbei aus Kolumbien für Schweizer Medien. Zum Beispiel über Pablo Escobar, die Zickamücke und neulich über die brisante politische Situation in der Kolumbien steckt. Über die Angst der Bevölkerung vor dem Frieden. David hat einen Print- und Radiobeitrag darüber realisiert. Sehr fest zu empfehlen dieser Link:
http://m.srf.ch/news/international/kolumbien-hat-angst-vor-dem-frieden
Plötzlich Luxus
Ich habe die letzten paar Nächte in Hängematten und Zelte genächtigt. Das ändert sich nun zünftig. David und Oli haben eine sehr sehr schöne Wohnung in Bogotá, mit einer atemraubenden Sicht auf die Stadt. Ich schlafe für die nächsten paar Tage in einem Doppelbett, mit eigenem begehbaren Schrank und eigenem Badezimmer. Apropos «atemraubend», auch die Luft hier ist es. Bogotá liegt auf über 2600 Meter Höhe. Das spührt man. Zumindest die erste Nacht habe ich schlecht geschlafen. Die Atmung fällt etwas schwerer. Aber nach ein paar Tagen gewöhnt man sich dran.
TeleZüri-Power
Sie war am längsten dabei. Sieben Jahre hat Yvonne «für TeleZüri, Yvone Eisenring», gesagt. Sie ist zufälligerweise auch grad hier in Bogota, bei David. Yvonne wohnt drei Wochen in der Wohnung und schreibt. Sie ist jetzt Buchautorin, schreibt in ihrem Erstlingswerk über 50 Dates in zehn Städten. Im September sollte das dann erscheinen. Wir sind also drei ehemalige TeleZüri-Reporter in Bogotá. Der eine wohnt, die andere schreibt, und ich reise. Da wirst du in einer wildfremden Stadt, zu irgend einem Hochhaus chauffiert, und steigst da in einen Lift. Der bringt dich direkt in die Wohnung, 17. Stock. Die Schiebetür öffnet, und dann sind da Menschen, die du aus einer ganz anderen Welt kennst. Ein spezielles Gefühl. Schön, ein bisschen Schwiiz hier. Und es gibt noch viel mehr Schwiiz heute, an meinem ersten Abend. Der Schweizer Club Bogotá lädt zum Fondue Abend. Das habe ich wunderbar gepreicht. In Bogotá kann man tatsächlich Fondue kaufen, normal, in jedem grösseren Supermarkt! Das Schweizer Clubhaus sieht von innen aus wie ein Schweizer Chalet. Holztisch, Holzbalken, Teppiche an der Wand, und Menschen die extem schweizerisch aussehen. Fast alle weit über dem Pensionsalter. Bogotá ist jetzt keine Stadt, in die man aus Freude auswandert. Das muss mit einem Job zusammenhängen, so wie bei Oli. Ich gehe davon aus, dass die mal hier gearbeitet haben, und dann geblieben sind. Mir kommen auf jeden Fall gaaaanz viele andere Orte in den Sinn, an denen ich meinen Lebensabend verbringen möchte. Und das heisst nicht, dass ich Bogotá nicht toll finde. Gar nicht!
Meine Eindrücke
Bogotist nicht schön. Aber aufregend, überraschend und voller Leben. David zeigt Yvonne und mir die Altstadt. Nett, aber nicht vergleichbar mit dem Charme von Cartagena oder dem Niederdörfli. Eindrücklich ist der Plaza de Bolivar. Das Zentrum des fast 50-Millionen-Menschen-Landes. Ein quadratischer Platz. Auf der einen Seite, das nationale Parlament, daneben das städtische Regierungsgebäude. Rechts davon, das nationale Gericht. Abgerundet wird der Platz mit einer grossen Kathedrale. Das nationale Kirchenzentrum. Ein Platz mit sehr viel Geschichte. Hier werden wichtige Entscheidungen getroffen, hier wird das Land gelenkt. Sinnbildlich für Bogotá ist es hier aber auch gefährlich. Ich mache ein Panorama-Foto vom ganzen Platz. David warnt mich, hier das Handy zu zücken sei heikel. Allgemein sollte man sich nur auf belebten Gassen aufhalten. Nur ein paar Blöcke südwestlich des Platzes, sollte man sich gar nicht aufhalten. Sonst muss man davon ausgehen, dass man danach um ein Handy und Portmonaie leichter ist.
Die Autostadt
Neben der Kriminialität hat Bogotá ein anderes, ganz grosses Problem: Der Verkehr. Jeder fünfte Kolumbianer wohnt in Bogotá und dessen Agglomeration. Ein ÖV-System das diesen Menschenmassen gerecht wird, gibts nicht. Da sind zwar ein paar Busse die da rumkurven, das genügt aber bei weitem nicht. Sie sind immer völlig verstopft und stehen im Stau. Da bekommt das Wort Dichtestress eine ganz andere Bedeutung. In der Schweiz wird gejammert, wenn man mal stehen muss, am morgen in der S12 oder im Tram. Hier klebt man mit dem Gesicht seitlich am Busfenster, wenn man Glück hat, und sich einen Stehplatz ergattern konnte.
Am zweiten Abend gingen wir in ein In-Lokal auf der anderen Seite der Stadt, Luftlinie: 8 Kilometer. Es war Abendverkehr und blöderweise noch so ein Musikfestival. Bei leeren Strassen wäre man in 20 Minuten da. Bei normalem Abendverkehr hätte man dafür knapp 90 Minuten. Was in Zürich als Total-Jahrhundert-Verkehrskollaps in die Geschichte eingehen würde, gibt’s in Bogotá jeden Tag. Wenn dann noch ein Event stattfindet, dann ists nicht mehr lustig im Auto. Auf neun Uhr war unser Tisch reserviert. Angekommen sind wir um 23:25 (!!!), gegessen kurz vor Mitternacht. Trotzdem, es wurde ein toller Abend! In diesem völlig überdekorierten, bunten und balkigen Stall, in dem auf Holztischen brutzelndes Fleisch auf heissem Stein serviert wird. Und nach dem Essen, tanzen zu Salsa und anderen Lateinamerikanischen Klängen. Toll!
Die Velostadt
Bogotá eine Velostadt? Tatsächlich. Zumindest am Sonntag. Den dann wird eine der Hauptstrassen quer durch das Zentrum für alles Motorisierte gesperrt. Was in Zürich einmal im Jahr als riesen Happening gefeiert wird, findet in Bogotá wöchentlich statt. Wir haben mitgemacht, uns ein Velo gemietet und durch das Zentrum gestrampelt. Und das ist nicht irgend so eine neue Aktion mit der sich Bogotá als besonders umweltfreundlich oder sonst was profilieren will, sondern das ist hier seit 27 Jahren so! Jeden Sonntag! Toll.
Die Partystadt
Dieses Bogota mag auf den ersten Blick uncharmant erscheinen, mit seinen zugegebenermassen hässlichen 60 und 70er-Jahre Blöcke. Da mag dieses metropolitanisches Feeling nicht so recht aufkommen. Aber, es gibt ganz viel Charme in Bogotá. Quartiere, die wie ihr eigenes Altstädtchen, ihr eigenes Zentrum haben, mit herzigen Gässchen und fancy Restaurants. Oder dann, und das ist mein Lieblingsteil von Bogotá: die Zona Rosa, der Ausgangsteil. Da kann ich alleine in den Ausgang und habe das Gefühl ich bin mit allen da. Mit den Rolos, so bezeichnet man Bogotarianer. In der Schweiz ist es ja komisch, wenn nicht undenkbar, alleine auszugehen. Hier, so was von kein Problem. Denn die Rolos sind hilfsbereit und einfach offen zu den Menschen. Klar, ich bin ein offensichtlicher Gringo, ein Ausländer. Hier falle ich auf mit meinen blonden Haaren und blauen Augen. Das bin ich zwar schon die letzten drei Monte, aber hier interessieren sie sich mehr für die Gringos. Zum mit uns Ausländern in Kontakt zu kommen, gibt’s da seit Jahren eine legendäre Party: «Gringos Tuesday» heisst sie. Da wird an jedem Tisch eine andere Sprache gesprochen. Deutsch, Englisch, Französisch usw… Ich war relativ skeptisch, ich dachte, da hängen es eh nur all die europäischen Blondies herum. Zu meiner Überraschung hatte es aber hauptsächlich Rolos, also Bogotarianerinnen, die den kulturellen und sprachlichen Austausch suchen, eine andere Sprache lernen wollen. Und wenn da dann noch ein guter Typ dabei ist, haben viele sehr wenig dagegen, diesen Austausch auszubauen. Zum Beispiel am späteren Abend, dann werden die Tische weggeräumt und das Lokal zum Club, zur Disco umgewandelt. Bei schnellen, lateinamerikanischem Sound, haben dann alle die Möglichkeit, den Austausch zu vertiefen.
Das sind meine ganz persönlichen Eindrücke. Bogotá ist unvorstellbar gross. Ich war im Ganzen zehn Tage in dieser Stadt. Und ich bin sicher, da kann man grad so gut ganz anderer Meinung sein, ganz andere Eindrücke mitnehmen. Der grösste Teil sehen Besucher nicht. Können sie gar nicht, weil viel zu gefährlich. Hunderttausende leben völlig verarmt in Blechhütten. Nur mit gepanzertem Auto kann man durch diese Gebiete fahren. Die arm-reich-Schere ist hier immens. Im Vergleich, ist die in der Schweiz inexistent. In Cartagena ist das noch extremer. Da leben die Einen im Millionen- Reichtum und Überfluss, und die Anderen, haben nicht genug zu Essen.
Allgemein bin ich überrascht, wie weit die reichen Gebiete Kolumbiens entwickelt sind. Ich dachte Costa Rica oder Panama sind viel weiter. In Kolumbien sind zum Beispiel Supermärkte wie in der Migros, einkaufs-psychologisch durchdacht eingerichtet, die Substanz der Häuser einwandfrei. Besser wie in Italien oder Spanien! Das hat mich überrascht, ist aber nicht der Grund warum ich Bogotà toll finde. Ich habe einfach Freude hier. Ist noch schwierig zu sagen warum. Manchmal hat man einfach so ein positives Gefühl in einer Stadt. Es gibt so vieles zu entdecken. Ich bin noch nicht fertig…
Aber jetzt gibt’s zuerst einen Totalchange. Ich gehe in den Dschungel, ganz im Süden von Kolumbien, in den Amazonas!!