Remo MüllerNicaraguaLeave a Comment

Hellblaues Meer, Palmen, feiner, weisser Sand. Die Wellen purzeln ruhig den Strand hinauf. Ein warmes Lüftchen bringt meine Hängematte leicht ins Schaukeln. Ich fühle mich wie in einer Postkarte. Ich bin gestrandet. Auf Little Corn Island.

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«Hola, wir würden gerne nach Corn Island fliegen, so schnell wie möglich. Möglich?»

Flughafen Managua, Freitag 29. Januar. «Geht einfach an den Flughafen und sagt ihr würdet gerne nach Corn Island. Ihr habt sicher noch irgendwo Platz!», stimmte uns eine Backbackerin in Leon zuversichtlich. «Nein. Kein Platz. Erst am Montag wieder», sagt uns die mittelmässig freundliche Frau am Airlineschalter. Wir sind gestrandet, am Flughafen Managua, die Hauptstadt von Nicaragua. Gestrandet darum, weil der Flughafen nicht ganz einfach zu erreichen ist. Wir haben damit gerechnet, dass uns eine Nacht im Flughafen bevorstehen könnte. Jetzt müssen wir zwei Tage warten. So lange am Flughafen rumhängen ist keine Option. Wir gehen also wieder zurück zur Busstation. imageAch ja, WIR sind übrigens Tara, 27, aus Belgien, Julia, 32, aus Kanada und ich. Wir haben uns in Leon kennengelernt und mochten uns sofort, darum reisen wir ein Stück weit zusammen weiter. Zuerst müssen wir mit dem Taxi etwa 45 Minuten quer durch Managua. A hell of a ride. Der Bushof ist unpraktischerweise auf der anderen Seite der Millionenstadt. Managua ist eine ausserordentlich hässliche und gefährliche Stadt. Verkehrsregeln geniessen hier wenig Respekt. «Trust the locals», sagt Julia jeweils, wenn ich wiedermal fast die Schraube mache. Wir gehen zurück nach Granada. Ich kenne die Stadt bereits, ich bin also der perfekte Cityguide für Tara und Julia.

Und dann, es ist Montag, der Tag an dem wir nach Corn Island fliegen. Little Corn Island genauer gesagt. Wie es der Name schon sagt, die kleinere Insel der beiden. Sie ist etwa so gross wie Leimbach, das Dorf im Thurgau wo ich aufgewachsen bin. Wir sind aufgeregt, können nicht warten. In einem kleinen, gwaggligen Propellerflugzeug heben wir ab. Mit neun anderen Personen im Flugi. Ich sitze direkt hinter dem Pilot, könnte ihm eine Rückenmassage geben.

Wir landen auf Big Corn. Little Corn hat keinen Flughafen, die Insel ist kürzer wie eine Landepiste lang ist. Mit einem kleinen Schiffli geht’s von Big nach Little Corn, etwa eine halbe Stunde Action: Starker Wind, grosse Wellen. Die auf den hinteren Plätzen werden nass, die auf den vorderen katapultiert es dafür fast nach hinten. Ich sitze zuvorderst.

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Eine ruhige Phase der Überfahrt

Es ist schon fast ganz dunkel, als wir in Little Corn eintreffen. Das Boot legt an, am einzigen Schiffsteg der Insel. Etwa zehn Typen stehen da, halten uns das Täfeli ihres Hostels entgegen. Wir wissen schon, wir wollen ins «Three Brothers». Es ist das Günstigste auf der Insel. Ganz sicher. Julia hats ausgecheckt. Meine Reiseamiga aus Kanada prüft immer äusserst zuverlässig welches das Billigste ist. Sie reist mit einem Budgetbook. Jede Investition, wirklich jedes Fläschli Wasser oder jedes Überraschungsei findet sich in diesem Buch wieder. 26 Dollars hat sie pro Tag zur Verfügung. Die Übernachtung darf also nie über zehn Dollars kosten, sonst gehts mit dem Essen nicht mehr auf. Am Anfang war ich mir unsicher ob ich damit umgehen kann. Jetzt find ichs noch praktisch. Die weiss immer ganz genau wo man am günstigsten übernachten und preiswert essen kann. Ich kann dadurch noch recht gut sparen. Und ich wurde äusserst bescheiden. Etwas weiches zum darauf schlafen, Hygiene und Sicherheit sind mir wichtig. Sonst brauche ich gar nichts mehr. An Dorms, also an Mehrbettzimmer habe ich mich eh schon lange gewöhnt.

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Mit Randy, vom Three Brothers

Da sind wir also, im «Three Brothers». Es ist schon sehr günstig, Julia handelt den Preis noch munter weiter nach unten. Übernachten auf Little Corn Island für knapp sieben Dollars pro Person! Und das Hostel ist recht okay. Sauber, klein, mitten im Dorf. Noch wissen wir nicht, wie es hier so aussieht, es ist dunkel.

 

 

 

Dienstag, 6:30. Die Sonne geht auf, es ist heiss. Ich erwache schweissgebadet. Die Ventilatoren laufen nicht. Der Strom wird jeweils von 6 Uhr morgens bis 1 Uhr Mittags aus Spargründen abgestellt. Ausschlafen geht nicht. Egal, wir können eh nicht warten bis wir die Insel erkunden können.

Little Corn ist magisch, die kleine Insel lebt. Bunte Holzhäuser, lässige Leute. Die Menschen sind lebensfroh, feiern, tanzen. Die Musik von Bob Marley ist hier allgegenwärtig. So viele Menschen auf dieser Welt versuchen ihr ganzes Leben cool zu sein. Aller meist, bleibts beim Versuch. Wirklich, von Geburt aus cool sind die Menschen hier. Mit einem schmunzelnden «ey Bro» grüssen die Little Corn Islander auf der Strasse. Also auf den Gehweg. Motorisiertes gibt’s hier nicht. Transportmittel sind die Füsse und das Velo. Die Bauern leben von Bananen. Die Beckersfrau verkauft in ihrem Wohnzimmer Kokosnussbrot. Hummer, Lobster und Shrimps sind hier Grundnahrungsmittel. Das Inselvolk erscheint mir gewissenhaft. Zum ersten Mal nach über einem Monat Reisen sehe ich Abfalltrennung!! Drei verschiedene Kübel, Alu, Glas, Plastik. Leider halten sich nicht alle dran. Immerhin ist mal jemand auf die Idee gekommen.

Ausserdem gibts an den meisten Orten «free refill» von Wasser. Damit es weniger Petflaschen zum entsorgen gibt. Das Wasser wird aus den Grundwasser-Brunnen gewonnen. Ich brauche Überwindung, aus einem Brunnen zu trinken. Das Wasser ist aber einwandfrei und schmeckt auch noch gut! Einmal die Woche gibt’s Tanz und Musik in einer der beiden Bars auf der Insel. Die Einheimischen tanzen und singen ausgelassen, zusammen mit einigen Touristen. Mich inbegriffen. Also tanzen, nicht singen. Ein DJ von Big Corn legt auf. Ein toller Abend, war das.


Ein paar hundert Menschen leben auf dem Inselchen. Sie sprechen Jamaica-Englisch und Kreolisch, so eine Mischsprache. Sie leben von Fisch, Bananen und Touristen. Von diesen hat es zum Glück bis jetzt noch nicht sehr viele. Die Inseln gelten noch als Geheimtipp. Von der grossen Touristenschwemme wie sonst auf karibischen Inseln ist Little Corn bis jetzt verschont geblieben. Aber sie kommt. Leider. Die Corn Islands gehören offiziell zu den authentischsten Inseln der Karibik. Die meisten karibischen Inseln sind heute vertouristisiert. Eine Insel wird von Touris entdeckt und die Einheimischen kommen auf den Geschmack des Geldes. Das wärs dann mit der Ruhe. Diese Entwicklung ist etwas schade, aber das Natürlichste der Welt. Noch vor 15 Jahren hatte es zwei-drei Hostels auf Little Corn. Für zwei Dollars konnte man damals übernachten. Die Inselbewohner hatten keine Ahnung vom Geschäften und von den finanziellen Verhältnissen der Besucher. Sobald die Menschen wissen was zu holen ist, wieviel der Touri bezahlt, ists passiert. Langsam tasten sich die Hotel und Restaurantbesitzer preislich nach oben. Jedes Jahr kommen mehr Touristen, jedes Jahr gehen die Preise weiter nach oben. Mehr Hotels werden aus dem Boden gestampft. Mehr Schiffe, mehr Flüge. Im Moment ist es nicht ganz einfach nach Little Corn zu gelangen. Mit der Nachfrage steigt das Angebot. Zum Beispiel Direktflüge aus anderen Ländern. Und dann, ich glaube das wird schon sehr bald sein, werden mehr Touristen wie Einheimische die Insel «bewohnen». Jeder Inselbewohner will ein Stück des Touri-Geldkuchens abschneiden. Jetzt schon ist der Konkurenzkampf zum Beispiel der Schnorcheltripanbieter gross. Der Inselfrieden gestört.

Das ist meine etwas negative Prognose. Basierend auf Gesprächen mit Menschen die schon seit mehreren Jahren Little Corn bereisen. Es sind aber auch meine eigenen Eindrücke. Heute ist Little Corn ein einzigartiges Paradies. Vor allem für Taucher und Menschen, die kleine, authentische Inseln gern haben. Ich hoffe fest dass das noch lange so bleibt.

Nun liege ich hier, in der Hängematte, es ist der letzte Tag. Es war eine unvergessliche Woche im karibischen Paradies! Auch wegen den Menschen. Wir waren eine tolle, internationale Gruppe. Eine Kanadierin, zwei Engländer, drei Schweizer und vier Belgier. Schön wars mit euch. Danke!

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Für mich, Tara und Julia gehts weiter nach Ometepe. Die Vulkaninsel auf dem Lago Nicaragua, dem grössten See Zentralamerikas.

 

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