Besondere Erfahrung
Ganz besonders freue ich mich auf die Massagen hier in Bangkok, sie seien wahnsinnig günstig und der Hit, hat mir meine liebe Kollegin Julia erzählt. Sie sei damals jeden Tag gegangen. In der Schweiz tut jeder Druckakt auf der Massageliege auch etwas weh, weil dafür das Sparschweinchen zuhause fast den Hungertod erleiden muss. In Bangkok kostet das fast nichts, eine Stunde Ölmassage kriegt man bereits ab Acht Franken. So weit so gut. Eine Herausforderung ist es aber, auch tatsächlich in einem seriösen Massageschuppen zu landen. Denn, hier wird in Massagesalons nicht nur massiert.
So mache ich mich also auf die Suche nach einem nicht schmudelig-wirkenden Massagetempel. Ich werde fündig. Edel sieht alles aus. Ich wähle die Thailändische Ölmassage, Kosten: 400Baht, das sind etwa Fr. 11.-. Ich solle mich komplett ausziehen, sagt mir die Frau, Thailänderin, geschätzte 28 Jahre alt. Klar, dachte ich mir, das ist eine Ganzkörper-Massage, da hat man nun mal nichts an. Interessanterweise beginnt sie aber auch sich auszuziehen, also bis auf kurze Höschen und einen BH. Ich frage sie, warum sie das tut. Sie reagiert nicht gross darauf. Ich ordne es unter kulturelle Unterschiede ein und hoffe auf eine gute Massage. Sie beginnt mit dem Rücken, mit einem leichten Streicheln. Vielleicht ist das ja, zum die Muskeln etwas aufzuwärmen, damit die eigentliche Massage nachher ihre optimal Wirkung erzielt, bin ich überzeugt. Aber auch nach sechs-sieben Minuten spüre ich da nur wenig Können in ihrem Massagehandwerk. Ich frage mal scheu nach, ob man das hier in einer Schule lernt..oder wie sie zum Massieren gekommen ist. Sie antwortet so etwas wie: «Ja, Schule…». Es ist wieder ruhig. Dann fragt sie mich: «Want Bumbum?». Ich verstehe nicht was sie meint. Oder besser gesagt, ich hab da so eine Idee, will das aber nicht wahrhaben. Ich frage nach, was sie genau meint. «Bumbum, do you want Bumbum?», wiederholt sie sich etwas deutlicher. Ich gehe inzwischen davon aus, dass mein Verdacht stimmt. «Ich meine mich zu erinnern, dass ich eine Massage gebucht habe», versuche ich sie zu motivieren, mir endlich eine richtige Massage zu geben. Es kommt nicht besser.
So liege ich da, splitternackt, in einem Massagezimmer. Da drückt mir eine Thailänderin – inzwischen vom letzten Funken Motivation verlassen – an meinem Rücken rum, und macht einen Lätsch weils diesmal keinen «Tipp» gibt. Es würde sich prickelnder anfühlen, wenn mir eine Bangkoker Strassenmaus (und von denen gibts ganz viele) über den Rücken spazieren würde. Das habe ich wiedermal ganz toll eingefädelt, denke mich mir, auch leicht amüsiert. Noch auf der Massageliege frage ich mich selbstkritisch, wo habe ich nun den Fehler gemacht, oder, wie hätte ich das wissen können? Ich glaube, noch klarer kommunizieren, dass ich wirklich einfach eine professionelle Massage möchte, hätte geholfen.
Ich entscheide mich für Übungsabbruch. Ich bin in Thailand angekommen.
Anders
Ich laufe durch schmale Gassen, es raucht mir ins Gesicht. Der Strassengrilleur heizt seine Fleischmocken ein. Es riecht nach Abwasser, Abgas, nach verkohltem Fleisch und verdorbenem Poulet. So wie wenn man das rohe Hähnchen zwei Stunden in die pralle Sonne legt und danach tief durchatmet.
Viele Gerüche sind auch ganz einfach nicht einzuordnen. Die Fleischstücke auf dem Grill sind undefinierbar, es könnten Frösche sein. Oder Ratten. Die ganze Kombination killt mir die letzten Hungergefühle. Ich weiss nicht, wo ich was essen kann und will. Es ist mein erster Tag, ein kleiner Kulturschock.
Nass
Es ist Monsun, also Regenzeit. Das heisst: Es regnet viel, das Planen des Tages demnach nicht ganz einfach, es kann innerhalb von 15 Minuten komplett umstellen. Und wenn es hier regnet, dann will man nicht draussen sein. Das Abflusssystem hätte in Bangkok Verbesserungspotential: Nach ein paar Stunden Starkregen sind die Strassen überschwemmt. Und wenn es dann einen Tag durchregnet, dann hat das Beobachten der Verkehrsgeschehnisse einen hohen Unterhaltungswert. Denn, das haltet die Führer von motorisierten Zwei- Drei- und Vierrädern nicht davon ab, ihre Fahrzeuge zu führen. Autos die nicht mit dem vielen Wasser umgehen können, bleiben stehen. Das ist hier in Bangkok immer etwas ungünstig, denn hinter einem Auto hat es immer ganz ganz viele andere Autos, Töffli und TukTuks, die da zwischendurch drängeln. Resultat: Ein epochales Verkehrschaos, in einem Ausmass dass man sich in der Schweiz gar nicht vorstellen kann.
Denn hier in Bangkok haben Strassen mitten durch die Stadt zehn Spuhren. Dazu kommt, dass der Thailänder nicht Auto fahren kann. Wie der Kolumbianer. Das ist die erste Parallele die ich feststelle. Der Thailänder wie auch der Kolumbianer hat grundsätzlich ein ruhiges, zufriedenes Gemüht. Auf der Strasse werden jedoch beide zu Monster, zu ungeduldigen, fluchenden Drängler und Spontanbremser. Das Motto «ich bin der Wichtigste hier auf der Strasse und ich habe immer Priorität» ist dann etwas ungünstig, wenn alle Verkehrsteilnehmer auf den Bangkoker Strassen danach ihr Fahrzeug lenken. Mich nervt das fest, und ich finde das geht nicht unter kulturelle Unterschiede, das ist ganz einfach dumm. Ich bin abgeschweift. Ich war eigentlich beim Thema Monsun, Regenzeit. Während der Autolenker wenig Freude am Regen hat, freut sich der Fussgänger. Der grösste Vorteil: Die reinigende Wirkung. Bangkok leidet unter Smog. Während der Trockenzeit ist das Leben hier ungesund: Bruthitze, verpestete Luft, die Temperaturen gehen Monate lang nicht mehr unter 30 Grad. Temperaturmässig ist es während der Regenzweit immerhin ein bisschen angenehmer. Wobei, sooo viel macht das nicht aus. Denn, wenns viel regnet, fällt das Atmen zwar leichter, dafür ist die Luftfeuchtigkeit unangenehm hoch. Ich kenn das noch aus dem Amazonas, bei kleinsten Anstrengungen schwitzt du in Liter. Ich bewege mich in Zeitluppe, damit ich nicht fünf mal duschen muss pro Tag. In Bangkok ist es also entweder heiss oder feucht. Auch wenn die Acht-Millionen-Metropole wettertechnisch etwas ungünstig liegt, Bangkok ist der Wahnsinn, ein völlig verrückter Ameisenhaufen, an Vielseitigkeit kaum zu übertreffen.
Die Stadt
Die meisten Backbacker halten sich im Gebiet um die Khaosan Strasse auf. Burger-Restaurants neben Souvenirläden, Fussmassagen und massgeschneiderte Anzüge werden hier angeboten. Kulinarisch kann man sich in Bayrischen Biergärten oder Italienischen Pizzerien verwöhnen lassen. Und, wie überall in Bangkok gibts auch hier Streetfood. Und das kostet fast nichts.
Das wohl bekannteste Thaigericht, Padthai, kriegt man auf den Strassen Bangkoks für 30 Baht, das sind etwa 80 Rappen. Ich finds toll, kann es aber gleichzeitig überhaupt nicht nachvollziehen, warum das so günstig ist. Ich meine Thailand ist das wohl touristischte Land der Welt, die Thailänder müssten doch langsam mitbekommen haben, wie viel ein Tourist für ein Mittagessen zu zahlen bereit ist. Als Beispiel Nicaragua. Ein Land, dass erst seit kurzem von Touristen besucht wird. Trotzdem haben die schon recht genau ausgelotst, wie viel ein Tourist für was bereit ist zu bezahlen. Oder die Corn Islands, zwei Karibische Inseln die zu Nicaragua gehören. Erst vor zehn Jahren hat das Inselvölkchen den ersten Europäer oder Amerikaner gesehen. In dieser kurzen Zeit sind die Einheimischen auf den Geschmack des Geldes gekommen, haben die Preise zum Beispiel für Übernachtungen oder Essen bereits vervielfacht. Ich dachte, so funktioniert einfach der Mensch, er will Geld verdienen, so viel wie möglich, damit er aber trotzdem noch genug Kunden hat. In Thailand funktioniert das irgendwie anders.
Eine anderthalb-Liter Wasserflasche kostet 30 Rappen, eine Übernachtung in einem guten Hosteldorm, Fünf Franken, inkl. Frühstück. Wenn man ganz fest will, kann aber durchaus Geld ausgeben in Bangkok. Es gibt fancy Restaurants und Skybars auf den Dächern der Wolkenkratzern, da bezahlt man durchaus 12 Franken für einen Cocktail oder 25 Franken für ein Nachtessen. Oder dann war ich in einem Freilichtmuseum «Ancient City», vergleichbar mit Ballenberg, wo die spektakulärsten alten Tempel Thailands nachbaut wurden. Der Eintritt: stolze 20 Franken. Mit diesem Geld könnte ich mich eine Woche ernähren hier. Es gibt sie also schon, die, die wissen wies funktioniert, das mit dem Geld verdienen.
Ich lebe in Sukhumvit, einem weniger touristischen Stadtteil. Ich spühre am Abend lieber den Puls der Stadt, wie die deutsch-englische Biereslust. Von hier ist man schnell überall. Bangkok hat ein perfektes ÖV-System. Skytrain, also so ein Zug der auf Betonstelzen die Stadt oberirdisch verbindet, und eine Metro. Menschen von Stadtteilen die nicht mit Schienen erschlossen sind, pendeln mit so kleinen Schiffen auf den Kanälen oder dem grossen Fluss der quer durch Bangkok fliesst. Wenn man also von A nach B will, dann kann man sich immer einen Plan aushecken, wie man das nun am besten macht. Ein bisschen Metro, ein bisschen Schiff und dann vielleicht noch ein TukTuk wenn man grad keine Lust hat zu laufen, in dieser feuchten Hitze. Nach dem anfänglichen kleinen Kulturschock habe ich mich inzwischen gut eingelebt. Bangkok macht es einem aber auch nicht so schwierig. Die Metropole ist blitzblank sauber und durchorganisiert. Das ÖV-System zum Beispiel ist sogar moderner und übersichtlicher wie zum Beispiel in London. Auch sicherer. Der Bahnsteig ist mit einer Glaswand zum Gleis abgetrennt. Wenn der Zug einfährt, gehen Zugtür und Schiebetür der Trennwand gleichzeitig auf. In der Schweiz gibt es dann immer so ein lästiges Gedränge, weil die die rein wollen nicht warten können. Ich frage mich amix an was das liegt. Die nackte Angst davor, keinen Sitzplatz mehr ergattern zu können, oder ist es doch die schon fast unaushaltbare Vorfreude auf die Arbeit? In Bangkok ist das anders. Auf dem Bahnsteig sind am Boden Linien und Pfeile gezeichnet. Sie zeigen, wo die Passagiere zu warten haben, und wo der aussteigende Menschenstrom raus darf. Keine Spur von Gedränge. Und das in einer Stadt mit über acht Millionen Einwohnern. Der zweite Punkt was in Bangkok auffällt: Die Sauberkeit. Keine Zigarettenstummel, keine Plastikflaschen am Boden, nichts. Ich würde fast meinen, Bangkok kann da mit Zürich easy mithalten. Gleichzeitig hat es fast keine Abfalleimer, das macht überhaupt keinen Sinn. Dafür gibt es unzählige Strassenputzer, die alles sauber halten. Hier gehts wahrscheinlich darum, die Arbeitslosenrate tief zu halten. Das Bedürfnis nach Sauberkeit sieht man auch in meinem Hostel. Nachdem ich jeweils meinen menschlichen Bedürfnissen nachgegangen bin, steht da amix die Putzfrau bereit, grüsst freundlich lachend, und erstellt noch während ich meine Hände wasche Ausgangslage. Das Gute an diesem etwas übereifrigen Sauberkeitsbedürfnis, wenn man aufs WC geht, scheint es jeweils, als wurde die WC-Schüssel gerade erst montiert. Auf der anderen Seite, kann es eben auch zu etwas unangenehmen Situationen führen. Zünftig Nachholbedarf haben die Bangkoker aber leider mit dem Umweltschutz. Abfalltrennung, Fehlanzeige. Das ist darum unglaublich schade, weil die Stadt einen grossen Aufwand betreibt, alles sauber zu halten. Es bräuchte nicht viel mehr, und auch der ökologische Gedanke wäre abgedeckt. Schade. Tut fast etwas weh. Auch das Wasser im Fluss und den kleinen Kanälen ist völlig verpestet, da fliesst viel rein das nicht sollte. Kurz: Oberflächlich ist Bangkok sauber, nur oberflächlich. Interessant ist auch, dass es nicht so viele Obdachlose zu geben scheint. Ich habe mehr auf der Strasse lebende Menschen in London gesehen wie in Bangkok.
Soo das wärs, was mir von Bangkok geblieben ist. Ich könnte jetzt den ganzen Text noch etwas umstellen, damit ich nicht so negativ aufhören muss. Wär jetzt etwas aufwändig… Das was mir bleibt, sind tolle Momente, wie die einer Fernsehstation, die gerade eine Gruppe Mönche interviewt. Oder in der Metro, das siehst du so viele verschiedene Menschen. Da sitze ich, bin der einzige Weisse, rechts ein Alki, dessen Kopf nach vorne neigt und der Speichel aus dem Mund läuft, weil er sich selber nicht mehr zu spüren scheint. Links von mir spüre ich wie ein Ladyboy immer wieder zu mir schielt. Gegenüber sitzt ein alter Mönch, der unauffällig den Ladyboy mustert. Diagonal gegenüber von mir sitzt ein Geschäftsmann, der die Situation auch grad lustig findet und mich darum anlacht. Toller Moment.
Immer mit Bangkok assozieren werde ich auch Jael. Sie heisst nicht so, ich darf aber ihren richtigen Namen nicht erwähnen. Sie arbeitet in einer heiklen, auch nicht ganz ungefährlichen Position auf einer Botschaft eines Landes, das ich auch nicht erwähnen darf. Wir haben uns in einem Restaurant, beim Zmittag kennengelernt. Schnell haben wir gemerkt, dass die Wellenlänge ausserordentlich gut stimmt. Sie lebt in einer Wohnung in einem Wolkenkratzer mit einem unglaublichen Ausblick. Bevor ich überhaupt in die Wohnung durfte, musste ich da einige Fragen beantworten. Ich musste beweisen, dass ich wirklich als Reporter bei TeleZüri gearbeitet habe und nicht ein Spion bin. Das war bei meinem Job zum Glück nicht so schwierig. Wir hatten eine aussergewöhnlich spannende Woche zusammen. Aber, ich muss weiter. Mein zweiter Teil meiner Reise beginnt ja erst richtig. Ich reise weg von Bangkok, in den Norden Thailands, nach Chiang Mai, Pai, Soppong und dann weiter nach Myanmar. Es geht wieder los! Yesss!!
2 Comments on “Kulturschock”
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