Remo MüllerNicaragua1 Comment

Vielleicht habe ich da doch etwas viel in diese letzte Woche in Guatemala reingepackt. Ich brauche eine Pause. Einfach ein paar Tage entspannen. Das war der Plan. Es kam anders. Sehr viel anders.

Schon der Grenzübertritt von Costa Rica nach Nicaragua hatte wenig mit Entspannung zu tun. Ich reise mit dem öffentlichen Bus, zusammen mit den Einheimischen. Nicht bequem, dafür abenteuerlich. Und, es kostet nichts, etwa 50 Rappen pro Stunde Fahrt. Der Bus fährt bis ins Grenzkaff. Von dort aus muss man über die Grenze laufen, und dort dann schauen, wie man weiterkommt. In der Schweiz wird ja heiss über mehr Grenzkontrollen debattiert. Niedlich, im Vergleich was hier abgeht an der Grenze. Die Luft im etwa 500 Meter langen Zollbereich ist staubig und riecht nach Urin und Abgas. Etwa 80 Lastwagen stehen aufkolloniert. Die Grenze kann nur zu den Arbeitszeiten passiert werden. Die Menschen rennen irr herum. Es ist laut, chaotisch, heiss. Der Bananenverkäufer preist lauthals seine schwarzen, staubigen Bananen an. Der traurige Bub schaut hoch zu mir, fragt ob ich ein Zältli möchte. Ich bin müde, will weg von hier. Es kommt mir alles vor wie in Zeitluppe. Es windet stark. Der Staub klebt sich an mein von Schweiss triefendes Gesicht. Ich will meine Augen vom Staub befreien, kann aber nicht, nichts ist nicht staubig. Trotzdem, da muss ich jetzt durch.

Ich hab gehört dass man beim Grenzübertritt so ein Stempel braucht. Ich laufe mal den wenigen Touris nach. Und dann beginnt er, der Postenlauf. Zuerst muss ich mich in Costa Rica abmelden und so ein Formular ausfüllen. Acht Dollar kostet das. Warum? No idea… Dann, etwa Hundert Meter diagonal über die Strasse, der zweite Posten zum anstehen. Hier gebe ich den Zettel ab, bekomme einen Neuen, bezahle Zehn Dollars. Ich beginne mich aufzuregen. Für 10 Dollars kann ich hier an einem schönen Ort mit Meerblick übernachten! Im Glauben, den Zoll passiert zu haben, versorge ich meinen Pass. Ich verstaue ihn jeweils in einem kleinen geheimen Passtäschli. Am Gurt befestigt, ragt dieses seitlich in meine Unterhosen. Wenn ich den Pass dort verstaue, gehe ich nicht davon aus, dass ich ihn bald wieder brauche. Es ist jeweils mit Umständen verbunden, ihn wieder ans Tageslicht zu befördern. Die Annahme, ich bin jetzt in Nicaragua war natürlich falsch. Ich muss nochmals anstehen, lange in die Unt..also seitlich in meine Hose, grüble den Pass nochmals heraus. Erst jetzt bin ich beim offiziellen Zoll. Pro Person geht’s etwa sechs Minuten und kostet nochmals Zwölf Dollars. Der Typ stempelt, scannt, füllt mehrere Formular aus, es ist der nackte Wahnsinn. Jetzt bin ich aber wirklich durch, genervt verstaue ich meinen Pass wieder. Den nehme ich nicht mehr raus heute! Ich liege falsch falsch. Es kommt noch die Stempelkontrolle, damit man auch ja überall mal angestanden ist. Diesmal geht’s aber schnell. Zu schnell. Der Pass ist noch verstaut. Plötzlich stehe ich vor einer überraschend hübschen Frau mit langen schwarzen Locken. «May I see your passport por favore?»

So laufe ich nach etwa einer Stunde aus dem letzten Grenzposten raus, mit etwa 30 Dollars weniger. Dafür ganz viel Unverständnis. So viel Ineffizienz auf so engem Raum, kaum zu glauben. Es bräuchte so wenig, und dieser ganze An- und Abmelde-Prozess wäre so viel schneller. Ich kann das nicht verstehen. Ich meine, zumindest eine Seite ist Costa Rica, das offenbar reichste und modernste Land Zentralamerikas. Aber die habens nicht im Griff. Es erinnert mich ans Militär. Einfach machen, nicht denken, nicht hinterfragen, es bringt nichts.

imageDa bin ich jetzt also, in Nicaragua. Jetzt brauche ich Zeit für mich, Entspannung. Das Ziel: Irgendwo am Meer wos schön und ruhig ist. Auf meiner Karte hat mir jemand mal San Juan del Sur unterstrichen. Liegt am Meer und ist nicht weit von der Grenze weg. Okay, lets go! In einem in den USA ausrangierten, gelben Schulbus geht’s los. Ich stehe, habe genau so viel Platz wie ich breit bin. Aber es geht ja nur etwa 90 Minuten, bis ins Paradies.

Dann fährt er ein, der Bus, in San Juan der Sur. Ich bin noch nicht ausgestiegen da wird mir klar, das wird nichts mit ruhig die nächsten Tage. Laute Musik aus allen Bars, getrunken wird hier aus Kokosnüssen, die Kleider sind grün- und pink-neon-farbig. Ich bin zufälligerweise in DEM Partydorf Nicaraguas gelandet, erfahre ich später. Normalerweise buche ich ja gerne ein Hostel in Zentrum. Vielleicht war es Intuition, dass ich diesmal eine Bleibe ein paar Minuten weg vom RambaZambe gebucht habe. Hostel «Los March», etwas erhöht, mit traumhafter Aussicht. Die Vibrationen der Bässe sind aber auch hier oben noch spürbar.

Sie sind wieder da, die farbigen Hippies. Die Frauen machen hier am Morgen Yoga und gehen dann shoppen. Die Typen gehen am Morgen surfen. Am Mittag gehen sie dann surfen. Und am Nachmittag, gehen sie surfen. Und dann am Vorabend pflegen die heissen Surferboys ihr Brett. Meistens showmässig oben ohne auf der Strasse vor den Surfshops. Wenn Fleisch in Sicht ist, werfen die Männlein den Weiblein scharfe Blicke zu. Ein herrliches Schauspiel. Die Mädels laufen vorbei, tun so als würden sie nicht schauen und kichern sich danach einen ab.

Irgendwie ist die Stimmung cool, bis am Schluss brachte ich aber das Gefühl nicht los, hier nicht ganz hinzupassen. Ich kann nicht surfen, seh nicht aus wie ein Surferboy, bin kein Hippie, kiffe nicht, kann nicht jeden Abend Party machen. imageIn San Juan del Sur zählt kein Uni-Abschluss, schon gar kein militärischer Grad. Hier zählen die Partybändeli am Arm. Je mehr, desto lässiger ist man. Ich habe es in drei Tagen auf drei geschafft. Ich bin wahnsinnig stolz darauf!
Ich habe genau das Wochenende gepreicht. Am Samstig Nachmittag bin ich angekommen. Da habe ich zum ersten Mal die Bezeichnung «SundayFunday» gehört. Das sei die grösste Party in ganz Nicaragua. Das habe ich wiedermal wunderbar eingefädelt. Alle sprechen davon. Die Weiblein darüber, was sie ächt anziehen sollen. Und die Männlein, ob sie ächt am Morgen das Surfen nicht lassen sollen, damit sie besser mögen später. Das Ganze beginnt am Mittag um Zwölf(!!!) und geht dann openend. Ein Shuttle fährt das Partyfolk dann von Lokal zu Lokal. Kostet: 30 Dollars. Drinks nicht inbegriffen. Dafür ein Shirt und ein Bändeli. Völlig bireweich… Aber der Engländer hat es mir so erklärt. «Wenn du on Sunday Funday in San Juan bist, und nicht an diese Giga-Party gehst, ist das wie wenn du einmal im Leben nach London gehst und den Big Ben nicht bestaunst.» Leuchtet mir natürlich ein. Dass diese Tage hier gar nichts mit Ruhe zu tun haben werden, damit habe ich mich eh schon abgefunden.

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Ich klinke mich aber mit Matthew aus Bosten erst gegen 17:00 ein. Am Mittag bin und möchte ich nicht in Partylaune sein. Da sind wir also bei der dritten Lokalität, bei der Sunset-Party, in einem Club oberhalb des Städtchens. Atemberaubend. Mit noch ein bisschen Hopfensaft, noch mehr. Und auch die Hippies sind wieder da. Im Tenue «knapp bis sehr knapp». Bis letztes Jahr war auch oben ohne bei den Frauen gang und gebe. Für dieses Jahr hat die Stadt Richtlinien rausgeben, beklagt sich einer der Organisatoren, den ich zufällig in einem der Shuttles kennengelernt habe.

Eine tatsächlich gute Party war das. Von der ich mich nun wirklich erholen muss.

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