Remo MüllerKolumbienLeave a Comment

«Da wirds dir gefallen, in Medellín sind alle Frauen ein Träumchen!», hat mir mal einer gesagt, bevor ich hier her kam. Nun habe ich herausgefunden, dass dieser Typ auf Barbys steht. Übergeschminkt, überproportioniert und unecht sind die Frauen hier. Oder sagen wir, auffällig viele. In Medellín ist es überhaupt nichts Spezielles, wenn sich Frau die Brüste aufpimpen und sich Fussbälle in den Arsch machen lässt. Und das schon im zarten Alter von 18 Jahren, wenn die Brüste noch nicht mal ausgewachsen sind. Schon im Norden in Cartagena sind Schönheitseingriffe keine Seltenheit (siehe Eintrag «Der heisse Norden»), in Medellín ist es noch viel verbreiteter. Hier schenken Eltern ihren Teenie-Kindern eine Brust-OP auf den 18. Geburi. Klar, es ist eine andere Welt. Bei vielem muss man sagen, das ist hier halt so, das muss man respektieren, andere Kulter und so.. Das hier finde ich aber ganz einfach birreweich.

Verfälschtes Schönheitsideal

imageZuerst das Positive: In Kolumbien gibt es ganz wenige Hungerhacken, keine Zahnstochermodels, die grad gar nichts mehr mit Sex zu tun haben. Hier zeigt man gesunde Rundungen und ist stolz darauf. Toll! Die Frauen haben bereits von Natur aus mehr Kurven. Ich würde mal sagen dass eine Latina etwa ein Körbchen grösser trägt wie eine Europäerin, und die füllt das auch! Und dass diese salsatanzenden Chicas hier drüben auch einen grösseren Arsch schwingen ist bekannt. Es ist also eh völlig absurd, da noch etwas dran zu machen.
Mir hat es mal jemand so erklärt: Die Frauen, die von Natur aus ein B-Körbchen oder kleiner mit auf den Lebensweg bekommen haben, fallen hier auf, lassen ihren Vorbau also sowieso aufmöbeln. Meist nach dem Motto: «Wenn schon, denn schon». Dann gibt es die, die bereits grosse Brüste haben. Die schauen in ein Schaufenster, sehen dort eine Puppe mit einem Doppel-D und meinen dann aus Versehen, das sei schön. Das Schönheitsideal wurde hier in diese Richtung sozusagen gezüchtet. imageEs wird auch immer einfacher gemacht, seit ein paar Jahren können Schönheits-OPs in Raten bezahlt werden. Und um so mehr Frauen sich aufmöbeln lassen, umso normaler wird es. Um so normaler werden auch völlig unproportionierte Wesen, die da auf der Strasse auf ihren viel zu hohen Stögelischuhen herumwackeln, oder mir auf der Tanzfläche, Vujo würde sagen, blinkende Blicke zuwerfen. Dann suche ich meistens sehr schnell das Weite. Auch schon habe ich es gewagt. Man muss vielleicht sagen, die Berührungsängste sind hier deutlich kleiner. Da spürt man auf der Tanzfläche Sachen, auf die Mann hätte verzichten können. Ich habe ja eh schon Respekt vor grossen Brüsten, die sich beim Tanzen nicht bewegen. Ich muss immer wieder an Beton im Wind denken. Und dann, wenn sie mich ran drückt, sie meint wahrscheinlich, ich finde das wahnsinnig toll, würde ich am liebsten flüchten. Riesenbrüste, betonhart, mit einem PushUp noch so raufgedrückt, dass sich fast eine horizontale Fläche bilden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das irgend jemand schön finden kann..da törnt mich ein Typ mehr an, oder sicher weniger ab.

Unmissverständlich

Aber man muss sagen, es gibt auch viele Schönheiten hier in Kolumbien. Nach meiner Meinung: Mehr in Bogota wie in Medellin. Und die, um nochmals auf die blinkenden Blicke zurückzukommen, machen nicht lang rum. Wenn eine im Club mit mir tanzen will, gibt sie mir das unmissverständlich zu erkennen. Entweder habe ich plötzlich ein herumwirbelnder Latinaarsch vor mir, oder dann, schaut sie. Und Frauen hier werfen uns Männern vielaussagende Blicke zu.

Da gibt’s A.) der «Hola, ich will heute noch mit dir ins Bett-Blick». Das ist ein langanhaltender Blick, Augen neckisch zusammengekneift, Mund leicht geöffnet. Die Zunge gleitet entweder ganz offensichtlich der Oberlippe entlang, oder dann ist sie einfach erkennbar.

Oder B.) der «Hola, ich würde jetzt gerne ein bisschen mit dir tanzen, lass dich nachher auch gerne wieder gehen-Blick». Der kommt meist von einer, die vorher schon mit einigen andere Männern getanzt hat. Das ist kein langanhaltender Blick, sondern das sind mehr so kurze, intensive Blicke zwischen den Tanzdrehungen.

Dann gibt’s C.) der «Hola, ich finde dich echt interessant-Blick». Bei diesem Blick wird nichts zusammengekneift. Ein natürlicher Blick, die Augen bleiben dabei ganz offen, der Mund ist zu und formt sich zu einem sympathischen Lächeln.

Das sind drei Beispiele..es gibt noch einige mehr. Spannend ist, dass Blicke hier mehr sagen als ganz viele Worte. Da weiss man immer genau woran man bei wem ist. In der Schweiz schaut der Mann, die Frau zwar auch, tut dann aber so, als würde sie nicht schauen, wenn er schaut. Er macht dann eine Risikoabwägung, wie gross ist die Chance dass sie ihn abweist? Aber nur schon beim Gedanken einer Abweisung hat er den Schiss in der Hose. Zuhause im Bett denkt sich dann der Typ, vielleicht hätte ich etwas machen müssen. Und die Frau fragt sich, warum hat er nichts gemacht, hätte ich ächt mehr schauen müssen?

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Bogotá

 

Spanisch in Echt

Ich habe ja meine Schulzeit in Medellín von drei auf zwei Wochen gekürzt. Auf der einen Seite, weil die Schullektionen nicht meinen Vorstellungen entsprachen. Aber auch, weil ich eine bessere Idee habe, um meinem Spanisch einen ordentlichen Schupps zu geben. Sprechen. Ganz viel Spanisch sprechen.

Ich gehe nach Bogotá zurück. Warum? Weil ich einfach Lust habe, in Bogotá habe ich irgendwie lässigere Menschen getroffen. Und das will ich ja jetzt, spanischsprechende Menschen treffen. Ganz viele. Ich kenne schon ein paar, das genügt aber noch nicht, meine Tage zu füllen. Und was macht man, wenn man schnell Menschen treffen will? Genau, man installiert Tinder! Schon am letzten Tag in Medellin habe ich munter drauflosgetindert, einige Dates habe ich mir bereits gesetzt. Ich habe jeweils ein Mittags und ein Abenddate abgemacht. Eine paar offene Timeslots habe ich mir noch gelassen, vielleicht möchte ich mich ja mit jemanden nochmals treffen. Angie zum Beispiel, sie war mein Montag-Mittag-Date. Sie ist Spanischlehrerin, also ein absoluter Glücksfall! Auf dem Foto hat sie einen sportlichen Eindruck gemacht, das war in Realität nicht- bis gar nicht der Fall. Aber das ist mir zum Glück ziemlich egal, ich konnte sehr viel von ihr profitieren. Und sie hatte Freude daran mir zu helfen. Wir hatten gute Gespräche.

Ich habe spannende und weniger spannende Menschen kennengelernt, dabei viel über das Leben in Bogota erfahren. Ich habe Frauen getroffen, die sind richtige Reisefüdlis, waren schon in Nordamerika und Europa. Maria zum Beispiel, mein Montag-Abend-Date. 24-jährig, und nicht viel anders denkend wie eine Europäerin. Dann gibt es aber auch das komplette Gegenteil. Einige von ihnen haben im Alter von 25 Jahren den Grossraum Bogota noch nie verlassen. Das hat mich schockiert. Die Vorstellung nicht mal das eigene Land zu kennen ist schwierig. Das hat die absurde Situation ergeben, dass ich meinen Dates Regionen ihres eigenen Landes beschrieben habe, und erklärt, dass sie in einem verdammt schönen Land leben. Viele haben aber auch überhaupt nicht das Bedürfniss zu verreisen. Adriana zum Beispiel, mein Samstag-Nachmittags-Date. Auf die Frage, wie das sein kann, dass sie Bogotá noch nie verlassen habe sagte sie ruhig: «Warum auch, ich bin ja glücklich hier.»

Ich bin auch glücklich hier, will aber trotzdem weiter. Nach einem Monat Leben in den Grossstädten Medellín und Bogotá, beginnt für mich das Reiseleben wieder. Ich mache mich auf in den Norden von Bogotá. Die nächsten zwei Wochen werde ich abseits des Reiseführers unterwegs sein, mit grosser Vorfreude.

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